iRacing im VR-Test: The Real Racing Simulator
Dass die beinharte Rennsimulation iRacing vieles anders macht als Rennspiele vom Schlage eines Gran Turismo Sport oder Project Cars 2, stellt man als Neueinsteiger schnell fest. Verbringt man allerdings einige Zeit mit dem bereits 2008 erschienenen Titel, macht sich Begeisterung breit – vor allem im VR-Modus. In unserem Test erfahrt ihr:
- Was iRacing so besonders macht.
- Wie gut der VR-Modus von iRacing ist.
- Für wen iRacing das perfekte Rennspiel ist.
- iRacing: Erst losbrowsen, dann losbrausen
- Maximale VR-Immersion
- Beide Hände ans Lenkrad!
- Das Multiplayer-Rennspiel-Problem
- iRacing: Fair gewinnt
- Fortschritt durch Leistung
- Tuning in iRacing: Hochkomplex, aber optional
- Punktabzug für die Preispolitik?
- Unsere Wertung
iRacing: Erst losbrowsen, dann losbrausen
Zunächst einmal eine wichtige Information für Virtual Reality-Nutzer: iRacing ist nicht komplett mit VR-Brille spielbar. Das Nutzerinterface läuft nämlich standardmäßig über den Webbrowser unserer Wahl. Dort können wir uns für Rennen anmelden, Statistiken einsehen, unsere Autos auswählen und sie (genau wie unseren Rennanzug und Helm) optisch anpassen.
Es gibt zwar auch ein „Beta UI“ genanntes VR-kompatibles Menü, darin stehen uns aber längst nicht alle Optionen der Browser-Version zur Verfügung.
In iRacing nutzen wir für viele Spielfunktionen ein schlichtes Browser-Interface.
Das ist für VR zwar nicht optimal, aber mit etwas Geduld durchaus verschmerzbar. Mit Oculus Dash haben zumindest Oculus Rift / Rift S-Nutzer die Möglichkeit, das Browser-Interface mit ihrer VR-Brille zu nutzen. Wir haben das aber trotzdem nicht gemacht. Warum? Sobald wir im Browser unsere Rennaktivität ausgewählt und gestartet haben, startet das Spiel und fragt uns, ob wir unser VR-Headset nutzen wollen. Wir wählen natürlich „Ja“ aus, und setzen sie uns auf – das ist ein bisschen so, als ob wir uns den Rennhelm aufsetzen und dann ins Auto zu steigen. Auf eine ganz eigene Art kann die „halbe“ VR-Unterstützung also sogar zur Immersion beitragen.
Maximale VR-Immersion
Sind wir einmal im Spiel, bedienen wir das Ingame-Menü bequem mit der Maus. Wir können unser Auto umfangreich tunen (dazu später mehr) oder Einstellungen am HUD oder der Steuerung vornehmen. Hier zeigt sich iRacing besonders im Hinblick auf die VR-Unterstützung sehr ausgereift.
Per Tastenkombination (Alt+K, unter der VR-Brille nur mit Fingerakrobatik und viel Zielwasser zu treffen) können wir nämlich einzelne Elemente des Nutzer-Interfaces „entsichern“ und dann per Maus an eine (fast) beliebige Stelle unseres VR-Sichtfelds schieben. So können wir uns einige Zusatzinformationen einblenden lassen, ohne dass die tolle Immersion einer puren Cockpit-Ansicht verloren geht.
Aus dem Inneren eines der detailliert modellierten Autos von Mazda bis McLaren stellt sich ein hervorragendes Mittendrin-Gefühl ein. Dafür ist zum einen der tolle Sound der Boliden verantwortlich, aber auch visuell ist iRacing ein echter Renner. Die Grafik ist für ein solch altes Spiel, das nicht von vorn herein als VR-Titel entwickelt wurde, beeindruckend gut.
Das Schadensmodell der Autos ist zwar nicht besonders spektakulär, hier arbeiten die Entwickler aber an einem umfassenden Update, das noch dieses Jahr erscheinen soll. Und ja, bei manchen Bäumen besteht das Blattgewand aus 2D-Sprites – das fällt uns aber nur in Replays auf, denn im Rennen konzentrieren wir uns eher auf die Strecke und unsere Gegner.
Beide Hände ans Lenkrad!
iRacing ist außerdem eine „richtige“ Rennsimulation, die wir eigentlich nur mit einem Lenkrad richtig spielen können. Mit Gamepad oder Tastatur verlieren wir viel zu schnell die Kontrolle über unseren fahrbaren Untersatz.
Mit einem Lenkrad wie dem Logitech G29 oder dem Thrustmaster TS-PC Racer können wir hingegen dank Force Feedback die Grip-Verhältnisse gut einschätzen und ausbrechende Hinterräder durch kontrolliertes Gegenlenken (meist) wieder einfangen. Das Fahren fühlt sich mit einem Lenkrad von Anfang an gut an und macht einfach Spaß.
iRacing lässt aber auch Einsteiger nicht allein. Wir dürfen z.B. optische und fahrerische Hilfen wie eine Ideallinie oder automatisches Schalten aktivieren. Wer sich ausführlich mit den verfügbaren Hilfsfunktionen und allgemeinen Spielmechaniken auseinandersetzen möchte, der findet auf dem Youtube-Kanal zu iRacing oder im Browsermenü des Spiels eine fast 20-teilige Tutorialserie über alles, was das Rennfahren ausmacht. Das umfasst Tipps zum Thema Fahrzeugdynamik genauso wie Erklär-Videos zu den Verhaltensregeln auf der Rennstrecke.
Das Multiplayer-Rennspiel-Problem
Letztere sind in iRacing extrem wichtig, denn das hier ist ein reines Multiplayer-Spiel. Rennen gegen KI-Gegner gibt es nicht, dafür aber Zeitfahr-Wettbewerbe. Der besondere Reiz des Spiels liegt aber in den Rennen gegen menschliche Spieler. Und die funktionieren aufgrund einiger cleverer Spielmechaniken ausgesprochen gut.
Situationen wie diese gehen in Rennspielen im Mehrspieler-Modus selten gut aus.
Im Rennfahrerjargon gibt es eine Binsenweisheit, die wohl jedes Renntalent von Anfang an eingebläut bekommt. Sie lautet: „To finish first, you have to finish first“ (Wer gewinnen will, muss erst einmal ins Ziel kommen). So weit, so simpel – zumindest theoretisch.
Wer aber schon einmal ein Rennspiel im Mehrspielermodus ausprobiert hat, wird festgestellt haben, dass das insbesondere online ziemlich schwierig ist. Es gibt einfach zu viele Spieler, die ausschließlich darauf aus sind, andere von der Strecke zu rammen. Was in Burnout definitiv und in Need For Speed vielleicht noch dazugehört, ist in Rennsimulationen fehl am Platz.
iRacing: Fair gewinnt
Diesem Problem nimmt sich iRacing mit dem sogenannten „Safety Rating“ an. Das ist ein Wert, der bei sauber gefahrenen Rennen ansteigt und bei unsauberen Aktionen auf der Strecke sinkt. Zu diesen unsauberen Aktionen gehört Kontakt mit anderen Autos, aber auch das Verlassen der Rennstrecke.
Weil die Höhe unseres Safety Ratings auch Auswirkungen darauf hat, für welche Rennveranstaltungen wir überhaupt zugelassen werden, achten wir ganz besonders darauf, uns an die Regeln zu halten.
Nebeneinander durch die Schikane? Dank Safety Rating nur selten ein Problem.
Das führt dazu, dass die Rennen zum Großteil sehr fair verlaufen. Natürlich kommen Unfälle vor, diese resultieren aber eher aus einer Verkettung unglücklicher Umstände. Wir müssen jedenfalls nicht aus Angst vor Asphalt-Rambos ständig in den Rückspiegel schauen, sondern können uns auf die Rennerfahrung konzentrieren.
Ein weiteres wichtiges Werkzeug ist dabei der sogenannte „Spotter“. dabei handelt es sich um eine KI-Stimme, die uns auf Wunsch per Funk benachrichtigt, wenn sich gerade jemand neben uns befindet. Besonders in extrem engen Ovalrennen ist diese Funktion Gold wert, um Unfälle zu vermeiden.
Sollten wir doch einmal absichtlich abgeräumt werden, haben wir in offiziellen Rennen die Möglichkeit, echte Renn-Stewarts einzuschalten, die anhand einer Replay-Analyse im Nachhinein Strafen aussprechen können. Ein ziemlich cooles Feature, das für zusätzlichen Realismus und mehr Fairness sorgt.
Fortschritt durch Leistung
Nicht nur hier unterscheidet sich das Konzept von iRacing deutlich von anderen Titeln mit Simulations-Anspruch. oder die nummerierten Teile der Gran Turismo-Reihe halten uns dazu an, in Rennen Credits zu verdienen, um uns bessere fahrbare Untersätze leisten zu können. In iRacing gibt es, ähnlich wie in Project Cars 2, solch eine künstliche Progression nicht.
Hier dreht sich alles ausschließlich ums Rennen fahren: Mit guten Resultaten und fairem Fahren steigen wir im Rang auf und dürfen an neuen Rennserien teilnehmen.
Das ist zwar eine recht langwierige Angelegenheit, für Spieler mit kurzem Geduldsfaden ist iRacing aber sowieso nicht geeignet. Komplette Rennveranstaltungen dauern inklusive Qualifying selbst in den kürzesten Varianten gern mal 45 Minuten. Für ganz Hartgesottene gibt es sogar Team-Ausdauerrennen, die bis zu 24 Stunden dauern und im (realen) Wechsel mit Team-Mitgliedern gefahren wird.
Tuning in iRacing: Hochkomplex, aber optional
In den Veranstaltungen, die Tuning erlauben, kann das richtige Setup den entscheidenden Unterschied machen. Wie in anderen Simulationen können wir auch in iRacing alle nur erdenklichen Komponenten von der Getriebeübersetzung bis zur Feder- und Dämpferhärte und dem Radsturz anpassen.
Wenn es allerdings darum geht, Setups zu analysieren, legt das Spiel gegenüber der Konkurrenz nochmal eine Schippe drauf.
iRacing: Telemetrie-Analyse von McLaren.
Dank einer Kooperation mit McLaren haben iRacing-Nutzer nämlich Zugriff auf die Telemetrie-Analysesoftware Atlas Express. Die basiert auf dem Telemetrieprogramm Atlas, dass der bekannte Autobauer in den 1990er Jahren für sein Formel 1-Team entwickelte. Wer sich mit solchen Dingen nicht befassen möchte, muss das glücklicherweise nicht zwingend tun. Es gibt auch Rennserien, in denen mit fixierten Setups gefahren wird und in denen es nur auf die eigenen Fahrkünste ankommt.
Punktabzug für die Preispolitik?
Die vielen Möglichkeiten und tollen Rennerfahrungen, die iRacing bietet, haben im wahrsten Sinne des Wortes ihren Preis. Wir bezahlen nicht einmalig, sondern in Tradition von MMOs wie World of Warcraft per Abonnement-Modell. Je nachdem, wo und für wie lange wir das Abo abschließen, bezahlen wir zwischen 4 Euro (2-Jahres-Abo über die Spiele-Website) und ca. 14 Euro (Monatsabo über Steam) pro Monat für unseren Zugang.
Das ist noch nicht alles: Im Standard-Abo sind 17 verschiedene Autos und ebenso viele Strecken in 30 verschiedenen Konfigurationen inbegriffen. Wer mehr Autos oder Strecken haben möchte, muss sich diese einzeln als DLC hinzukaufen – und zwar zu ungewohnt hohen Preisen: zwischen ca. 8 und 13 Euro kosten sie pro Stück.
Vor diesem Hintergrund wäre es nur zu leicht, zu sagen: iRacing ist zu teuer. Das ist aber unserer Meinung nach maximal die halbe Wahrheit. Bereits die Grundversion bietet zahllose Stunden Spielspaß, und die Struktur des Spielerlebnisses zwingt uns auch nicht dazu, DLC zu kaufen. Darüber hinaus bietet das Spiel Features, die finanziert werden müssen. Das schließt beispielsweise die Spielserver und die Renn-Stewards ein.
Darüber hinaus bietet iRacing in Kooperation mit namhaften Rennserien wie Indycar, Nascar, IMSA oder VLN Meisterschaften an, bei denen wir reale Preisgelder gewinnen können. Einige der Rennen werden sogar regelmäßig auf Youtube gestreamt, samt passendem Live-Kommentar. Außerdem haben wir die Möglichkeit, über die bloße Teilnahme an offiziellen Rennen Spiel-Geld zu verdienen, das wir dann für DLC ausgeben können.
Unsere Wertung
Ein Schnäppchen ist iRacing deswegen immer noch nicht. Trotzdem sollte euch der vergleichsweise hohe Preis nicht abschrecken – zumindest wenn ihr euch ins Spiel einarbeiten wollt, um langfristig Spaß an der einzigartigen Spielerfahrung habt, die diese Rennsimulation bietet.
Mein Fazit:
Wie bewertet man ein Spiel wie iRacing, das so gar nicht recht in bewährte Kategorien passen will? Da ist einerseits die unvollständige VR-Unterstützung und der happige Preis gepaart mit der Quasi-Lenkradpflicht. Und das hier ist ein Spiel, das definitiv nicht jedem Spaß machen wird. Dennoch hat mich iRacing – als jemand, der Simulationen sowieso mag – nachhaltig beeindruckt. Was die Entwickler hier aus der betagten Grafik-Engine herausholen, ist aller Ehren wert. Gepaart mit dem teils brachialen Sound stellt sich ein tolles Immersionsgefühl ein, das durch die haarklein simulierten Rennabläufe und die harten, aber zu 99% fairen Duelle mit menschlichen Gegnern ganz neue Sphären erreicht. Je nachdem, was für eine Art Rennspiel ihr mögt, kann iRacing auf einer Skala von 1-10 für euch persönlich so ziemlich alle Wertungen einfahren.
iRacing ist das richtige VR-Rennspiel für euch, wenn ihr…
- Lust auf eine beinharte, realistische und immersive Rennsimulation habt
- ihr auf faire Rennen gegen menschliche Gegenspieler steht
- euch von
Gurtpflicht, Lenkradpflicht und Abomodell nicht abschrecken lasst
iRacing ist eher nicht das richtige Spiel für euch, wenn ihr…
- denkt, dass Max Verstappen nicht hart genug fährt
- kein Lenkrad besitzt
- einen Einzelspielermodus mit KI-Gegnern braucht
- schnellen Spaß für kleines Geld sucht
Die VR-Rennsimulation iRacing bekommt ihr hier:
- Für Oculus Rift / und / auf iracing.com.
- Für Oculus Rift / Rift S und HTC Vive / Vive Pro bei Steam.
Wir empfehlen die iracing.com-Variante: Dort spart ihr euch den Kaufpreis der Steam-Version und habt regelmäßig Zugriff auf reduzierte Abo-Angebote.
Getestet mit: Oculus Rift
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