Hellblade: Senua’s Sacrifice VR Edition im Test - Sensationell!
Nachdem das VR-Spiel Moss auf den Markt kam, war uns bei VR-World sofort klar: Auf diese Weise können fast alle Videospiele für VR umgesetzt werden. Mit der überraschenden Veröffentlichung der VR-Edition von Hellblade: Senua‘s Sacrifice haben wir nicht nur einen schlagenden Beweis für unsere Thesen erhalten.
Die Entwickler von Ninja Theory gehen sogar noch einen Schritt weiter und beweisen, dass sich auch Adventures oder Action-Spiele, die in der Third Person-Ansicht gespielt werden, perfekt für Virtual Reality eignen. In unserem ausführlichen Test erklären wir, wie es dazu kommt.
- Die Stimmen in unserem Kopf
- VR in Third Person: Kann das funktionieren?
- Hellblade: Puzzles und brutale Kämpfe
- Fantastischer Tabletop-Modus
- Echte Intimität
- Zwischensequenzen, Steuerung und Synchronisation
- Unsere Wertung
Die Stimmen in unserem Kopf
Wir spielen Senua, eine keltische Kriegerin, die in den Augen der Dorfgemeinschaft unter einem Fluch leidet. Sie verliebt sich in den Häuptlingssohn Dillion, der ihre Liebe erwidert. Als ihr später der Ausbruch einer Seuche zur Last gelegt wird, verlässt sie das Dorf.
Psychosen und Depressionen sind eines der Hauptthemen in Hellblade: Senua''s Sacrifice.
In der Zwischenzeit fallen die Wikinger ein und opfern Dillon in einem grausamen Blutopfer ihren Göttern. Senua reist mit dem abgetrennten Kopf ihres Geliebten an der Hüfte nach Helheim, dem Reich der nordischen Totengöttin Hel. Sie will Dillions Seele von ihr zurückfordern.
Natürlich ist Senua nicht von einem Fluch belegt, stattdessen leidet sie an einer Psychose und Depressionen. Ninja Theory ist es dabei wunderbar gelungen, Senuas Zerrissenheit eindrücklich darzustellen. Während wir durch die nordische Unterwelt streifen, kämpfen Stimmen in ihrem (durch gute Kopfhörer werden es schnell Stimmen in unserem) Kopf um die Vorherrschaft.
„Sie wird es schaffen“ „Sie wird scheitern!“ „Er kann nicht gerettet werden.“ „Gib auf!“
Das grandios vertonte Spiel zieht uns dabei gnadenlos in Senua‘s Gedankenwelt. Was ist Realität, was ist Einbildung? Die Grenzen verschwimmen und werden schnell komplett egal: Senua‘s Realität ist unsere Realität, wir leiden mit, wir fiebern mit, wir ängstigen uns mit ihr. Wer Senua‘s Psychotrip schon einmal in der PC-Version gespielt hat, glaubt vielleicht zu wissen, wovon wir reden. Doch lasst euch versichern: Senua in Virtual Reality ist eine völlig andere Erfahrung.
VR in Third Person: Kann das funktionieren?
Die sonst übliche Distanz zwischen uns und unserem Monitor fehlt nämlich in der VR-Version von Hellblade: Senua‘s Sacrifice – und das fällt deutlich auf. Schon die Startsequenz, in der Senua in ihrem Kanu auf die Küste zufährt und wir sie erstmals aus nächster Nähe betrachten, ist ein beeindruckendes Erlebnis.
Wir spielen Hellblade nämlich nicht aus der sonst in VR üblichen First Person-Ansicht, sondern in der Third Person-Ansicht.
Die Kamera befindet sich dabei ein kleines Stück hinter Senua, mit dem linken Stick des Gamepads (wir spielen mit dem Xbox One-Controller), können wir dabei die Kamera um Senua herum rotieren. In den umfangreichen VR-Einstellungen lässt sich die Position der Kamera detailliert an unsere Vorlieben anpassen. Dort finden sich auch eine ganze Menge Komfort-Einstellungen. Beispielsweise können wir Senua mit dem VR-Headset steuern oder die Kameradrehung in Schritten ablaufen lassen.
Letzteres ist für Motion Sickness-anfällige Spieler ein wichtiger Punkt, denn bei der flüssigen Kameradrehung kann einem schon mal etwas mulmig werden, wenn zu schnell am Stick gedreht wird. Mit etwas Gewöhnung oder regelmäßigen Pausen macht das allerdings schon bald keinen Unterschied mehr.
Die Darstellung der Spielwelt, die enorm abwechslungsreichen und detaillierten Level so wie die fantastisch animierte Protagonistin lassen uns beinahe uns selbst vergessen: Wir haben Hellblade: Senua‘s Sacrifice in einer von wenigen Pausen unterbrochenen VR-Session am Stück durchgespielt und satte acht Stunden mit Senua verbracht.
Hellblade: Puzzles und brutale Kämpfe
Dabei ist das Gameplay nicht übermäßig komplex. Meistens müssen wir den richtigen Weg finden und Puzzles lösen, um beispielsweise eine Tür zu öffnen. Die sind oft von Runen versperrt, deren Entsprechung wir im Level suchen und über unseren Fokusblick aktivieren müssen.
Manchmal müssen wir den Weg zu einem speziellen Aussichtspunkt finden, um ebenfalls mithilfe unseres Fokusblicks aus sphärischen (eingebildeten?) Bruchteilen eine Treppe oder einen Durchgang zu erschaffen. Ist das ein Zeichen dafür, dass wir im Geist einer wahnsinnigen Frau stecken?
Zwischendurch werden wir immer wieder von riesigen Wikingern angegriffen. Wir müssen Senua mit dem Schwert gegen herrlich düstere mythische Wesen wie Valravn oder Surt verteidigen. Kämpfe sind dabei verhältnismäßig simpel: Wir setzen leichte Hiebe oder attackieren mit schweren Angriffen und versuchen die Verteidigung des Gegners (sie blocken mit Waffen oder Schilden) zu durchbrechen.
Senua selbst kann ebenfalls blocken oder sich mit einer Ausweichrolle in Sicherheit bringen. Letztere ist besonders gut dafür geeignet, am Gegner vorbei zu rollen und ihm dann in den Rücken zu fallen.
In VR entfalten die Prügeleien eine großartige Intensität, wenn Stahl auf Stahl kracht und wir im letzten Augenblick dem tödlichen Hieb einer riesigen Axt ausweichen. Hier hakt es ab und zu, wenn die Animation nicht schnell genug ausgeführt wird – dann stirbt Senua, gern auch mal in einem der herausfordernden Bosskämpfe.
Das darf sie übrigens nicht allzu oft tun: Die dunkle Verderbnis steigt mit jedem Tod ein Stück weiter ihren Arm hinauf und wenn sie den Kopf erreicht hat, müssen wir das ganze Spiel von vorn beginnen.
Fantastischer Tabletop-Modus
In den gelungenen VR-Umgebungen ist das eine Wucht. Das geht aber sogar noch besser, wenn wir den Tabletop-Modus in den Einstellungen (Menüpunkt „Experimentell“) aktivieren. Dann verändert sich die Welt zu einer Miniaturenwelt, auf die wir im Stile von Moss hinunterschauen.
Spielwelt und Senua sind auch hier eine absolute Augenweide, vor allem im Kampf kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Kampfanimationen, Kombos, Finisher – am Besten in Verbindung mit unserer Slow Motion-Fähigkeit, die wir ab und an aktivieren können – machen aus den Kämpfen ein Actionspektakel aus krachender Kampfkunst und funkensprühenden Effekten.
Es gibt drei Kamera-Modi in Hellblade: Die normale Third Person-Ansicht, ein großartiger Tabletop-Modus und ein Giant-Modus. Insbesondere die (Boss-) Kämpfe sind im Tabletop-Modus eine Wucht.
Die Ausrichtung auf unseren Gegner können wir in VR (egal in welcher Ansicht) vereinfachen lassen, das Spiel stellt uns immer rechtzeitig in Angriffsposition zum nächsten Gegner. Grandios: Unsere Stimmen sind nicht nur Teil eines (unseres?) schizophrenen Charakters, sie warnen uns auch, wenn ein Feind von hinten angreift.
Echte Intimität
Schon bald merken wir, wie wir immer mehr mit Senua mitfühlen. Es ist diese Nähe von VR in Verbindung mit der großartigen Darstellung der Protagonistin, die einen unwiderstehlichen Sog entwickeln. Selbst wer Horror in VR nicht leiden kann, schleicht mutig durch ein völlig dunkles Haus, in dessen schwarzer Finsternis ein Monster nur darauf wartet, dass wir gegen irgendetwas stoßen und so unsere Position verraten.
Denn Senua ist es wert, dass wir ihr folgen, ihre Geschichte erleben.
Dabei entsteht eine Intimität, wie sie ein herkömmlicher, platter Monitor niemals herstellen kann. Wenn Senua während einem ihrer psychotischen Schübe bis auf wenige Zentimeter an uns herankommt, uns in die Augen sieht und mit uns zu sprechen scheint, halten wir den Atem an.
Ninja Theory hat eine so realistische junge Frau geschaffen, deren Zerrissenheit und Schmerz wir in ihrer Mimik sehen können – aber auch ihren unbändigen Willen und Stärke. Was auf dem Monitor schon intensiv war, ist nun für Spieler in einer virtuellen Realität angekommen, die für die Zukunft von Spiel und Film wegweisend sein dürfte.
Zwischensequenzen, Steuerung und Synchronisation
Da stört es nur minimal, wenn einige der Zwischensequenzen auf eine Leinwand ausgelagert werden müssen, damit der Spieler die schnellen Kamerabewegungen nicht unangenehm zu spüren bekommt. Allerdings wäre eine optionale Abschaltung der Leinwand für Spieler mit eisernem Magen auch nicht schlecht gewesen.
Doch das ist Jammern auf hohem Niveau, denn alles andere ist einfach großes Kino: Die Mischung aus wunderschönen und grotesken Umgebungen ist toll gelungen. Dunkle Höhlen, raue Küstenabschnitte, einmal sogar eine fantastische… nein, wir spoilern nicht, denn diesen Anblick müsst ihr gesehen haben. Wenn ihr es seht, wisst ihr, was wir meinen.
Die Steuerung per Gamepad ist intuitiv, wir spielen das VR-Spiel im Sitzen. Wer möchte, kann trotzdem seine oder mittels Tastenbelegung verwenden – das klappt sogar ganz manierlich, wir waren aber mit dem Xbox-Controller vollkommen zufrieden. Es muss nicht immer Bewegungssteuerung sein, damit VR wirklich gut ist – ebenso wenig wie es Roomscale braucht, um ein episches VR-Erlebnis zu schaffen.
Eine deutsche Synchronisation gibt es nicht, allerdings können Untertitel zugeschaltet werden. Das lohnt vor allem bei den Lore-Steinen, die wir im Spiel finden und aktivieren können. Sie erzählen uns Geschichten aus der nordischen Mythologie und wir können an diesen Steinen gefahrlos verweilen und zuhören bzw. lesen.
Neben der potentiell etwas Unwohlsein verursachenden Kamerasteuerung (wie schon bemerkt, schafft die richtige Einstellung in den Optionen hier Abhilfe) bleiben eigentlich nur die gelegentlich aufploppende Objekte zu bemängeln. Selbst eine 1080 Ti schafft es nicht, alles rechtzeitig bei höchster Qualität darzustellen. Solltet ihr übrigens Trackingprobleme haben (wenn das Bild des Headsets immer mal wieder grau wird), dann kommt eure CPU nicht mit. Stellt dann eure Grafikeinstellungen runter. Keine Angst: Hellblade: Senua’s Sacrifice sieht auf mittleren Details auch noch toll aus.
Unsere Wertung
Mein Fazit:
Hellblade: Senua’s Sacrifice ist der Beweis dafür, dass VR-Spiele den Spieler in einer Art und Weise mit Protagonisten und Welten verbinden können, wie es bislang kein anderes Medium vermag. Wer Senua einmal in Lebensgröße, mitten in der Spielwelt (nicht bloß durch ein schnödes 2D-Fenster!), in die Augen gesehen, ihren Schmerz auf dem geschundenen Gesicht gesehen, ihre Verzweiflung gespürt hat – der weiß, dass virtuelle Realität eine wirkliche, eine andere Realität geworden ist.
Hellblade überzeugt in VR durch seine feinen, gelungenen Animationen, das grandiose Sounddesign, die mitreißende, bewegende Story, die packenden, actiongeladenen Kämpfe. Nie war eine andere Welt so realistisch, so greifbar, so nah für mich. Ganz zu schweigen von der fantastischen Protagonistin, mit der ich von der ersten bis zur letzten Sekunde mitgelitten und -gefiebert habe. Insgesamt lässt mich das über kleinere technische Unzulänglichkeiten hinwegsehen. Hellblade: Senua’s Sacrifice ist ein unverhoffter Segen für VR – und als solchen habe ich das Spiel genossen!
Hellblade: Senua’s Sacrifice ist für euch geeignet, wenn…
- ihr ein extrem intensives VR-Spiel erleben wollt
- ihr wissen wollt, wie grandioses Sounddesign aussieht
- euch packende Schwertkämpfe gegen mythische Wesen begeistern
- ihr der Evolution des Gamings beiwohnen wollt
Hellblade: Senua’s Sacrifice ist für euch eher nicht geeignet, wenn…
- ihr psychologischen Horror nicht aushaltet (es gibt keine Jump Scares!)
- ihr sehr leicht, sehr starke Motion Sickness bekommt (lässt sich durch Einstellungen stark abmildern)
- euch starke Frauen Angst machen
- ihr Depressionen und Psychosen für eine Modeerscheinung haltet
Hellblade: Senua’s Sacrifice könnt ihr für / , Oculus Rift / Rift S, und Valve Index hier bekommen:
- auf Steam (Besitzer der PC-Version erhalten die VR Edition gratis!)
Getestet mit: HTC Vive
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